Hepatische Enzephalopathie ist eine wesentliche Komplikation bei Patienten mit Leberzirrhose. Wichtig für die Diagnose und Therapie sind Gespräche mit Patienten und Angehörigen und Information über die damit verbundenen Risiken und Behandlungsmöglichkeiten.
Leberzirrhose kann vielseitige Komplikationen mit verschiedenen Ursachen auslösen. Eine Hauptursache ist erhöhter Pfortaderdruck, der für zwei wesentliche Komplikationen verantwortlich ist: zum einen die Bildung von Ösophagusvarizen und zum anderen Aszites. Weitere Komplikationen bei Leberzirrhose sind das hepatorenale und das hepatopulmonale Syndrom sowie die hepatische Enzephalopathie (HE), die uns im klinischen Alltag stark beschäftigt.
Das Risiko einer HE ist prinzipiell nicht mit dem Schweregrad der Leberzirrhose – entsprechend der Child-Pugh-Klassifikation oder dem MELD-Score – verbunden. HE ist kein monokausales Ereignis. Sie beruht vor allem auf einer Entgleisung des Ammoniakstoffwechsels. Dafür gibt es immer Auslöser, die identifiziert werden müssen. Wesentliche Auslöser oder besser Trigger – sind Infektionen, gastrointestinale Blutungen, bestimmte Medikamente, Nierenfunktionsstörungen, Stoffwechselstörungen und Dehydratation. HE ist mit deutlich erhöhter Morbidität und Mortalität assoziiert. Studien bestätigen, dass Patienten mit einer minimalen HE (mHE) ein hohes Risiko haben, im weiteren Verlauf eine overte HE (oHE) zu entwickeln. Im Langzeitverlauf hat sich zudem gezeigt, dass das Sterberisiko für HE-Patienten deutlich erhöht ist. Zusätzlich ist die Lebensqualität der Patienten deutlich eingeschränkt, die Arbeitsfähigkeit reduziert und das Sturzrisiko gesteigert. Ein für mich sehr wichtiges Thema, auf das ich im Gespräch mit Patienten und ihren Angehörigen verstärkt hinweise, ist die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit bei HE, die mit Fremd- und Eigengefährdung verbunden ist.
Prinzipiell ist HE eine Diagnose, die klinisch anhand der West-Haven-Kriterien gestellt wird. Bei Verlangsamung der Feinmotorik und verwaschener Sprache z.B. ist die Diagnose oHE relativ einfach. Schwieriger wird es bei mHE, die sich als klinisch nicht eindeutig erkennbare HE definiert. Für die Diagnose eignen sich psychometrische Testverfahren und die kritische Flimmerfrequenz. Für uns sind diagnostisch die Gespräche mit Patienten und Angehörigen sehr wichtig. Zum Ausschluss andere Erkrankungen eignen sich u.a. die Laborwerte. Der Ammoniakgehalt im Blut spielt übrigens keine Rolle in der Beurteilung des Schweregrades der HE.
Das klinische Management der HE beruht auf drei Säulen. Zunächst müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden wie Elektrolytstörungen, Medikamentenintoxikation oder organische Ursachen. Dann müssen die eingangs erwähnten Auslöser gefunden und beseitigt werden. Die dritte Säule ist die medikamentöse Therapie, die empirisch durchgeführt wird und die auf die Senkung der Hyperammonämie zielt. Ammoniak spielt bei HE die pathogenetische Hauptrolle. Es gibt zwei Wege zur Senkung der erhöhten Ammoniakspiegel. Zum einen kann das bereits im Körper vorhandene Ammoniak mit L-Ornithin-L-Aspartat verstärkt abgebaut werden. Die andere Möglichkeit ist die Verminderung der Bildung von Ammoniak im Darm mit Laktulose und Rifaximin, die zur Therapie der HE zugelassen sind, das nicht-resorbierbare Antibiotikum Rifaximin allerdings nur für die Rezidivprophylaxe. L-Ornithin-L-Aspartat ist eine ebenfallszugelassene Substanz, die die Ammoniakentgiftung steigert. Ornithin und Aspartat sind beides Derivate des Harnstoffzyklus. Mit L-Ornithin-L-Aspartat kann man sozusagen „das Letzte aus dem Harnstoffzyklus rauskitzeln“. L-Ornithin-L-Aspartat gibt es in intravenöser und in oraler Form. In der Klinik beginnen wir in der Regel mit der i.v. Therapie und stellen dann im weiteren Verlauf auf die orale Darreichung um. Wichtig ist neben allen anderen therapeutischen Maßnahmen die adäquate Ernährung der Patienten. Sie sollte hochkalorisch sein und auf 3-4 Mahlzeiten pro Tag plus einen abendlichen Snack verteilt werden. Die früher praktizierte Eiweißrestriktion ist heute obsolet. Ein Verlust von Muskelmasse bei HE-Patienten muss verhindert werden, da die Muskulatur am Ammoniakabbau beteiligt ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr PD Dr. Müller.