Experteninterview mit Professor Dr. med. Frank Tacke, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Campus Charité Mitte und Campus Virchow-Klinikum, Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Insbesondere metabolische Lebererkrankungen sind auf dem Vormarsch in der Hepatologie. Sie stellen nicht nur die Forschung vor neue Herausforderungen, sondern auch die klinische Versorgung, die mehr denn je ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit erfordert.
Als Fachgebiet befindet sich die Hepatologie derzeit im Umbruch. Bedingt durch Lebensstil und Demographie wandelt sich das Krankheitsspektrum sehr stark. Wir beobachten heute vermehrt metabolische Lebererkrankungen, die uns vor neue Herausforderungen stellen, hier insbesondere die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung. Auch in der Forschung versuchen wir diesen Herausforderungen zu begegnen. Gleichzeitig gibt es in der Grundlagen-Forschung förmlich eine Explosion an neuen Erkenntnissen und neuen Technologien, die uns revolutionäre Einblicke in das Krankheitsverständnis gewähren und damit hoffentlich auch Hinweise auf neue therapeutische Möglichkeiten liefern. Beispiele hierfür sind die Einzelzell RNA-Sequenzierung, die Analyse des Mikrobioms, neue mikroskopische Verfahren und die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz. Mit diesen Verfahren erhoffen wir uns ein genaueres Verständnis für Lebererkrankungen und ihre Progression hin zu Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom.
Es ist wichtig festzuhalten, dass alle Patienten mit Lebererkrankungen von einer multidisziplinären Versorgung profitieren. So sollten Patienten mit Fettlebererkrankung und Leberfibrose beispielsweise die für sie optimale Diabetestherapie erhalten. Dazu arbeiten wir mit Endokrinologen und Diabetologen zusammen und zur Abschätzung der kardiovaskulären Risiken mit der Kardiologie. Geht es um Änderungen des Lebensstils, dann können Psychosomatik und Ernährungsmedizin wichtige Hilfestellung leisten. Kommen bariatrische Verfahren oder eine Lebertransplantation in Frage, dann kooperieren wir sehr eng mit der Chirurgie. Bei akuten Komplikationen der Leberzirrhose ist die optimale Versorgung in der Intensivmedizin von überragender Bedeutung. Ganz besonders wichtig ist die multidisziplinäre Versorgung für Patienten mit hepatozellulärem Karzinom. Für sie stehen neben den chirurgischen Verfahren auch neue Optionen zur Verfügung, z.B. im Bereich der interventionellen Radiologie und der Nuklearmedizin oder auch neue medikamentöse Verfahren aus der Immunonkologie.
Die hepatische Enzephalopathie (HE) hat im klinischen Alltag sehr große Bedeutung. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität der Patienten erheblich und stellt einen unabhängigen Risikofaktor für leberbedingte Komplikationen und Letalität dar. Wir wissen, dass die HE durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird. Dazu gehören neben dem Leberstoffwechsel die Nierenfunktion, Infektionen und insbesondere auch die Darm-Leber-Achse, d.h. beispielsweise die Funktionsfähigkeit der intestinalen Barriere oder die Mikrobiota der Patienten. Hier setzen verschiedene unserer grundlagenwissenschaftlichen, translationalen und auch klinischen Forschungsprojekte an. Wir wollen vor allen Dingen verstehen, wie die Darm-Leber-Achse die Progression von Lebererkrankungen beeinflusst und wie die Entzündungsprozesse in der Leber, die auf solche Signale reagieren, angetrieben werden. Das ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt, um die HE besser zu verstehen und hoffentlich auch noch zielgerichteter behandeln zu können.
L-Ornithin-L-Aspartat ist ein ganz wichtiger medikamentöser Baustein in der Behandlung der hepatischen Enzephalopathie. Die Substanz verfügt über einen dualen Wirkmechanismus. Zum einen wird der Harnstoffzyklus aktiviert und zum anderen die Glutaminbildung gefördert. Die Ammoniakentgiftung in Leber, Gehirn und Muskulatur wird dadurch verstärkt. L-Ornithin-L-Aspartat ist ein wichtiges Medikament sowohl in der Akuttherapie der HE, weil es unmittelbar die Ammoniakentgiftung steigert, als auch zur Prophylaxe einer erneuten HE.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Tacke.