Experteninterview mit Professor Dr. Dr. Andreas Teufel, Leiter der Sektion Hepatologie an der II. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM)
Leberkrebs ist eine der häufigsten tumorbedingten Todesursachen. Entscheidend für die Prognose der Betroffenen ist die frühzeitige Diagnose. Ein Projekt, das vom BMBF gefördert wird, soll mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) dazu beitragen, künftig Leberkrebs sicherer und früher zu erkennen.
Grundsätzlich haben wir in den letzten Jahren in allen Fachdisziplinen erhebliche Verbesserung der therapeutischen Optionen des hepatozellulären Karzinoms (HCC) erzielt. Allerdings steht und fällt die Effizienz dieser Möglichkeiten mit einer frühen Diagnose des HCCs. Grundsätzlich besteht für die Früherkennung mit den Patienten mit Leberzirrhose, hochgradiger Leberfibrose und chronischer Hepatitis B eine gut definierte Risikogruppe. Diese können einer regelmäßigen Surveillance unterzogen werden. Dadurch können die Tumoren früher erkannt und häufiger kurativ behandelt werden. Insbesondere in der konsequenten Umsetzung dieser Surveillance sehe ich derzeit noch erhebliches Potenzial für die Verbesserung der Früherkennung und der Heilung des HCCs. Darüber hinaus sehen wir bei Patienten mit Fettlebererkrankungen eine vermehrte Rate an HCCs auch in der nicht-zirrhotischen Leber. Diese Patienten fallen zum Teil nicht in die bisher definierten Risikogruppen für eine Früherkennungsdiagnostik. Eine exzellente medizinische Versorgung für Patienten mit Lebererkrankungen beginnt mit deren Prävention.
Die Digitalisierung bietet enorme Möglichkeiten und Chancen für die Hepatologie. Elektronische Patientenakten und Verknüpfungen mit Clinical Decision Support Systemen können die Qualität der Behandlung verbessern. Gleichzeitig können Sie auch helfen, Wissensbasen insbesondere für seltene Erkrankungen aufzubauen. Konzepte der künstlichen Intelligenz können die bildgebende Diagnostik weiter verbessern und beschleunigen. Nicht zuletzt erhoffen wir uns von mobilen Anwendungen (z. B. APPs auf Smartphone oder Uhr) Unterstützung in der Umsetzung von lifestyle Veränderungen und Gewichtsreduktion bei Patienten mit Fettlebererkrankungen.
Eine der wesentlichen Herausforderungen der Digitalisierung besteht aber darin Ärzte, Pflegepersonal, medizinische Organisationen aber auch Patienten in der Nutzung dieser digitalen Möglichkeiten zu schulen. Dies ist insbesondere notwendig, um die weitere Entwicklung konstruktiv zu begleiten.
Der Einsatz der künstlichen Intelligenz (KI) könnte die Bildgebung von Lebertumoren erheblich weiterentwickeln: bessere Erkennung krankhafter Befunde, Standardisierung der Befundung und Beschleunigung der Diagnostik. Dazu sind aber gut definierte Referenzdaten von HCC Patienten essentiell, um entsprechende Anwendungen der KI zu trainieren. Genau diese Testdatensätze sind aber gegenwärtig kaum vorhanden. Mit der Förderung des Mannheimer Q-HCC Konsortiums will das BMBF dieses Nadelöhr auflösen. Das besondere an unserem Projekt ist dabei, dass in einem Datensatz Informationen aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammengeführt werden: Gastroenterologie/ Hepatologie, Radiologie, Chirurgie und Klinische Chemie, aber auch Informatik und künstliche Intelligenz-Forschung. Dieser Datensatz wird abschließend öffentlich gemacht und steht damit allen HCC-Forschenden weltweit kostenlos zur Verfügung.
Ziel dieses Projekts ist es neben der Erstellung eines HCC Datensatzes auch ganz grundsätzlich technische Abläufe und Datenintegrationsstrategien für standardisierte und qualitätsgesicherte Datensätze zu erarbeiten, die dann unbedingt auch auf andere Lebererkrankungen angewendet werden sollen.
Möglichkeiten der Digitalisierung werden zur Früherkennung und Diagnostik der HE bereits untersucht. So versuchen erste APPs und digitale Testformate z. B. Medikamenteneinnahme oder Gewichtszunahme bei Patienten mit Leberzirrhose zu erfassen oder führen kognitive Tests durch. Ziel dieser Anwendungen sind frühzeitige Warnmeldungen, die frühe ambulante Besuche fördern und somit mittelfristig hoffentlich die Notwendigkeit von Krankenhausaufenthalten dieser Patienten verringern.
Vielen Dank, Herr Professor Teufel, für das Gespräch.