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Experteninterview mit Professor Dr. med. Stefan Zeuzem, Direktor der Medizinischen Klinik I am Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Fettleber, NAFLD/NASH, Leberzirrhose, Tumorerkrankungen: Die volkswirtschaftliche und gesundheitspolitische Bedeutung gastrointestinaler Erkrankungen wird unterschätzt.

Fachlich ist die Gastroenterologie zurzeit vor allem durch drei wichtige Entwicklungen geprägt. Da ist zum einen die Diagnostik, Therapie und Prävention der NASH. Wir erwarten hier in nächster Zeit die ersten Zulassungen, wodurch dieses bisher schwer therapierbare Krankheitsbild hoffentlich medikamentöse Optionen erhalten wird. Ein weiteres Thema mit vielen Entwicklungen im medikamentösen Bereich sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Hier wurden weitere Therapie-Targets identifiziert. Es fehlen allerdings immer noch Biomarker für den personalisierten Einsatz. Das dritte Gebiet mit immenser Dynamik ist die Onkologie, hier insbesondere immunonkologische Ansätze, die auch bei gastrointestinalen und hepatobiliären Tumorerkrankungen eingesetzt werden.

Wir wissen, dass Erkrankungen des Magen-Darmtraktes neben kardiovaskularen und neoplastischen Erkrankungen volkswirtschaftlich den höchsten Kostenfaktor darstellen. Dazu möchte ich ein paar Aspekte für die Gastroenterologie herausstellen. Da ist zum einen ihr präventiver Charakter. Wenn beispielsweise bei einer Koloskopie Polypen entfernt werden, dann ist dies eine Präventivmaßnahme zur Verhinderung der Entwicklung von Darmkrebs. Der zweite Aspekt ist die starke Einbindung der Erfahrungsmedizin. Fehlernährung und Überernährung stellen ein großes gesellschaftliches Problem dar. Folge davon ist das metabolische Syndrom und die damit assoziierten Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettleber. Der dritte Aspekt betrifft ein sogenanntes Emerging Field mit bislang noch geringer aber wachsender klinischer Bedeutung: das Mikrobiota und seine regulatorischen Einflüsse auf den gesamten Menschen, auf Organfunktionen und viele Erkrankungen.

NAFLD/NASH ist die Manifestation des metabolischen Syndroms an der Leber. Ein Viertel der westlichen Population hat eine Fettleber. Aber nur ein relativ geringer Teil entwickelt die gefährliche Fettleberhepatitis. Das metabolische Syndrom ist eine Multisystemerkrankung, die sich nicht nur auf ein Organsystem beschränkt. Von hoher Bedeutung für diese Erkrankung ist die Prävention. Da besteht noch großer Diskussionsbedarf. Wie anfangs bereits gesagt, erwarten wir demnächst die ersten Medikamente zur Behandlung von NASH. Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass nur 10-25% der Patienten therapeutische Verbesserungen erreichen. Um bessere Ergebnisse zu erzielen, brauchen wir dringend weitere Therapieansätze und entsprechende Biomarker.

Auch die Endpunkte der klinischen Studien in diesem Bereich sind noch einmal zu überdenken. Verbesserungen der sogenannten NASH-Scores, die zurzeit verwendet werden, sind rein histologische Endpunkte. Für die Patienten sind Gesamtüberleben, Lebensqualität, Herzinfarkt, Schlaganfall wesentlich härtere Endpunkte, auf die diese Studien in ihrem Design stärker abgestimmt werden müssen.

Die gesundheitspolitische Bedeutung der Leberzirrhose wird dramatisch unterschätzt. Die Inzidenz ist sicherlich wesentlich hoher als gemeinhin angenommen wird. Das gilt besonders für Diabetiker. Die finale Todesursache dieser Patienten ist häufig ein kardiovaskuläres Ereignis. Die Leber ist das zentrale metabolische Organ, das mit dazu beiträgt, dass bei diesen Patienten ein kardiovaskuläres Ereignis eintritt. Das impliziert, dass durch eine frühzeitige und kausale Behandlung der Lebererkrankung eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse erreichbar wäre.

Die Komplikationen der Leberzirrhose sind mannigfaltig. Dazu zählen portale Hypertension, Aszites, Blutungen und die Entgiftungsproblematik, die bereits im kompensierten Stadium der Leberzirrhose eine Rolle spielt. Patienten leiden unter verschiedenen Stadien der hepatischen Enzephalopathie mit Einschränkungen der Lebensqualität und Produktivität und haben eine Verschlechterung der Prognose bis hin zum erhöhten Risiko maligner Erkrankungen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Zeuzem.