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Experteninterview mit Doz. Dr. med. habil. Kurt Grüngreiff, Magdeburg

Eine Fettleber oder Leberverfettung ist die am meisten gestellte sonographische hepatologische Diagnose in der ärztlichen Praxis. Chronischer Alkoholkonsum war und ist, wenn auch in geringerem Maße, auch heute noch die häufigste Ursache. In den letzten 20 Jahren hat jedoch der Anteil an nicht alkoholischen Fettlebern (NAFLE) kontinuierlich zugenommen. Dies ist eng verbunden mit der epidemischen, z.T. auch pandemischen Zunahme der metabolischen Wohlstandskrankheiten, besonders Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 und Fettstoffwechselstörungen, die die Ausbildung einer Fettleber triggern. Zu den Faktoren, die mit einem höheren Risiko verbunden sind an einer NAFLE zu erkranken, zählen Insulinresistenz, zentrale Fettsucht, genetische und Umweltfaktoren sowie Veränderungen des intestinalen Mikrobioms. In der Praxis sollten bei erhöhten Leberwerten in den genannten Risikogruppen eine umfassende Klärung hinsichtlich der Genese durch eine umfassende Anamnese sowie klinische, laborative und bildgebende Untersuchungen erfolgen.  Andererseits ist bei diesen Risikopatienten einmal jährlich die Bestimmung von ASAT, ALAT und GGT anzustreben. Bei erhöhten Leberwerten ist dann eine umfassende Untersuchung zum Ausschluss einer Virushepatitis (A – E), einer autoimmunen bzw. chronisch cholestatischen Lebererkrankung (AIH, PBC, PSC) sowie einer metabolischen Lebererkrankung einzuleiten. Je nach Ergebnis ist eine Weiterführung der Diagnostik, letztlich auch eine Leberbiopsie, zur endgültigen Klärung angezeigt.

Bei etwa 30 % der Patienten mit einer NAFLE kommt es zur Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleberhepatitis (NASH), die im Gegensatz zur blanden Fettleber über eine zunehmende Fibrosierung zur Leberzirrhose und zu einem hepatozellulären Karzinom (HCC) führen kann. Die NASH hat eine multifaktorielle Genese, bei der neben genetischen Faktoren, der Lebensstil (Über- und Fehlernährung) zu einer exzessiven Fettakkumulation führen.  Mitochondriale Dysfunktionen, Endotoxine und proinflammatorische Zytokine, oxidativer und ER-Stress tragen zu einer chronischen Entzündung der Hepatozyten bei. Bei einer NASH kann sich auch ohne Vorliegen einer signifikanten Leberfibrose, besonders bei Bestehen eines metabolischen Syndroms, ein HCC entwickeln.  Bei der Entstehung einer NAFLE und so auch einer NASH kommt einer diabetischen Stoffwechsellage eine zentrale Bedeutung zu. Eine Fettleber trägt zur Insulinresistenz und damit zum Diabetes mellitus Typ2 bei, die Insulinresistenz verstärkt die Fettleber. Die Verbesserung der Insulinresistenz ist bisher das am häufigsten gewählte Ziel bei der Suche nach neuen Therapieansätzen der NASH. Die Leberbiopsie mit histopathologischer Beurteilung ist auch heute noch der Goldstandard zur Unterscheidung zwischen einer NAFLE und einer NASH. Die NASH wird durch das Vorliegen eines gemischtzelligen Infiltrates, das eine diffuse lobuläre Lymphozyteninfiltration darstellt und eine Zellschwellung (Ballonierung) charakterisiert. In diesen Lymphozyteninfiltraten finden sich in hoher Anzahl B- und T-Lymphozyten. Histologisch bestehen große Ähnlichkeiten zwischen einer NASH und einer ASH.

Die Leberfibrose, die Umwandlung von funktionstüchtigem Parenchym in Bindegewebe als Folge einer chronischen Leberschädigung, findet sich als verbindender Prozess bei allen chronischen Lebererkrankungen. Es handelt sich letztlich um eine durch unterschiedliche Faktoren (Alkohol und andere toxische Substanzen, Hepatitisviren, Fehl-, Über- und Mangelernährung, autoimmun, chronisch cholestatisch und metabolisch) ausgelöste Wundheilungsreaktion mit fortschreitender Vernarbung bis hin zur kompletten Zerstörung der Organstruktur durch Narbengewebe (Zirrhose).  Es ist ein komplexer Prozess, in den multiple pathogenetische Faktoren, wie chronische Entzündungsreaktion, eine Aktivierung der hepatischen Sternzellen, Gefäßneubildungen und Parenchymverlust durch Gefäßverschlüsse involviert sind. Ein breit anwendbares, antifibrotisch wirksames Medikament zur Anwendung beim Menschen gibt es trotz eines enormen Wissenszuwachses zur Pathogenese dieses Prozesses noch nicht.

Zink ist ein essentielles Spurenelement mit fundamentaler Bedeutung für eine Vielzahl zellulärer, molekularer, metabolischer und immunologischer Reaktionen. Die Leber ist das Hauptorgan des Zinkstoffwechsels und nimmt eine zentrale Stellung bei der Erhaltung der systemischen Zinkhomöostase ein.  Chronische Lebererkrankungen, besonders die Leberzirrhose, gehen häufig, unabhängig von der Genese mit erniedrigten Zinkwerten im Serum/Plasma einher. Ein Zinkmangel kann in vielfältiger Form die Pathogenese von Lebererkrankungen beeinflussen. So führt ein durch Zinkmangel induzierter oxidativer Stress über eine Modulation von spezifischen Signalketten mit daraus resultierender Schädigung von Enzymen, Mitochondrien und ribosomalen Strukturen zur Zell- und Gewebsschädigung. Durch ein Zinkdefizit getriggerter oxidativer Stress trägt zur Leberentzündung und ebenso zum Versagen der Akute-Phase-Reaktion als Schutz vor Viren und toxischen Substanzen bei. Zahlreiche hepatoprotektive Wirkungen von Zink sind aus experimentellen Studien, aber auch aus klinischen Pilotprojekten bekannt. Dazu zählen u.a.  neben der antioxidativen Wirkung gegen zellulären, mitochondrialen und ER-Stress, die antiinflammatorische Wirkung, die Induktion der Metallothioneinsynthese, die Stimulierung der Albumin-Proteinsynthesefunktion der Leber und letztlich auch die Essentialität für B- und T- Lymphozyten. Während bei der Hepatitis C, mit Einschränkungen auch der Hepatitis B, mittels moderner antiviraler Medikamente eine Fibrose, ja gar Zirrhose teilweise rückbildungsfähig ist, gibt es für die NASH und die ASH bisher kein Medikament zur Reduktion der Fibrose.  Bei der multifaktoriellen Genese dieser beiden Krankheitsentitäten ist ein einzelner Wirkstoff, der nur auf ein singuläres Zielobjekt ausgerichtet ist und so auch nur wirkt, nicht ausreichend, denn es tragen zahlreiche unterschiedliche pathogene Strukturen, Wege und Situationen zur Entstehung der Erkrankung bei. Diese Heterogenität erfordert somit auch eine Therapie, die multipler, vielgestaltiger und auf unterschiedlichen Wegen erfolgen muss. Dieses sollte Anlass sein, Zink in das Design zukünftiger Studien zur NASH und ASH als Komponente aufzunehmen, zumal es in Mengen unter 45 mg/d kaum toxisch und darüber hinaus preiswert ist. Bei den engen Wechselbeziehungen der Signalwege von ER-Stress, oxidativem Stress und der Immunantwort in der Pathogenese einer Reihe chronischer Erkrankungen wäre Zink eine sinnvolle adjuvante Komponente zur pharmakologischen Intervention.  Davon unberührt ist die kontrollierte Substitution von Zink bei nachgewiesenem Mangel in Serum/Plasma.

Die Therapie einer Leberzirrhose muss nach Sicherung der Diagnose und dem Nachweis bzw. Ausschluss von Komplikationen (Aszites, HE, Infektion, Blutung, HCC) bzw. einer Dekompensation (portal, metabolisch) ausgerichtet werden. Dabei gilt es die Behandlung der zugrunde liegenden Lebererkrankung (Virushepatitis, AFLE, NAFLE, autoimmune Lebererkrankungen etc.) fortzuführen oder einzuleiten. Die Therapie ist nicht schematisch, sondern immer individuell, basierend auf den erhobenen Befunden zu gestalten. Hat der Patient Blutungen? Liegt ein Aszites vor? Wie ist sein Bewusstseinszustand (zeitliche, örtliche Orientierung, Fahrtüchtigkeit)? Hat er eine Infektion? Wie ist sein Ernährungszustand – letzteres wird häufig vernachlässigt?
Im Mittelpunkt der multifaktoriellen Pathogenese der HE steht die Hyperammoniämie mit ihren vielfältigen Auswirkungen auf das Gehirn. Heutige medikamentöse Therapieformen konzentrieren sich auf die Senkung dieser Hyperammoniämie. Neben der Ausschaltung auslösender Faktoren (GI-Blutungen, Infekte, Alkohol, Diuretika u.a.m.), der Verminderung der intestinalen Ammoniakproduktion durch eine Ansäuerung des Darmes (Laktulose), einer Reduzierung der Urease-bildenden Bakterien durch darmwirksame, kaum resorbierbare  Antibiotika (Rifaximin) ist die Steigerung der metabolischen Ammoniakentgiftung in der Leber durch L-Ornithin-L-Aspartat (LOLA, Hepa-Merz®) ein entscheidender therapeutischer Ansatz für die HE. LOLA ist sowohl in oraler als auch intravenöser Darreichung wirksam. Nach eigenen langjährigen Erfahrungen können mit LOLA allein oder aber in Kombination mit Laktulose und/oder Rifaximin gute Behandlungserfolge sowohl bei akuter als auch bei chronischer oder episodischer HE erzielt werden. Gerade bei Langzeitbehandlungen kann darüber hinaus unter LOLA eine Verbesserung, gar Normalisierung der Transaminasen und des Bilirubins beobachtet werden.
Patienten mit einer dekompensierten Leberzirrhose befinden sich sehr häufig, trotz eines „dicken Bauches“ in einem katabolen Zustand und bedürfen einer ausreichenden Energie- und Eiweißzufuhr. Es findet sich eine gestörte Körperzusammensetzung mit einem Verlust an Muskelmasse (Sarkopenie), besonders in der Schulterregion, den Oberarmen und den Oberschenkeln, eine Eiweißverarmung (Albumin) und eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Körper. Die Patienten müssen über diese Zusammenhänge aufgeklärt werden. Solange die Lebererkrankung kompensiert ist, d.h. die Leber trotz der Erkrankung in der Lage ist, ihre Aufgaben vollständig zu erfüllen, bedarf es keiner spezifischen diätetischen Maßnahmen, sondern nur einer regelmäßigen, ausgewogenen und ausreichenden Nahrungsaufnahme.  Nachgewiesene Mangelzustände an Mikronährstoffen (Mineralien, Zink o.ä.) sollten ausgeglichen werden. Ebenso müssen Begleiterkrankungen adäquat behandelt werden. Es ist nicht nur bei Patienten mit einer alkoholischen Leberzirrhose, sondern bei allen Formen einer chronischen Lebererkrankung auf einen absoluten Verzicht von Alkohol und anderen Noxen, auch der Selbstmedikation mit Schmerz- und Beruhigungsmitteln, hinzuweisen. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist kritisch zu bewerten.

Vielen Dank für das Gespräch, HerrGrüngreiff.