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Experteninterview mit PD Dr. Christian Labenz, Oberarzt und Ärztlicher Leiter des Cirrhose Centrums Mainz (CCM) an der I. Medizinische Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz.

Die minimale hepatische Enzephalopathie (MHE) ist der niedrigste Grad der HE und subklinisch. Das bedeutet, dass sie nur durch spezialisierte Testverfahren detektiert werden kann und keine „offensichtlichen“ Zeichen, wie z. B. Desorientiertheit, bietet. Trotzdem hat die MHE durch ihre Auswirkung auf den täglichen Alltag unserer Patient*innen enorme Relevanz. Die größte Herausforderung für den täglichen Alltag ist die Diagnosestellung der MHE. Der Goldstandard für die Diagnostik, der sogenannte „Psychometric Hepatic Encephalopathy Score“ (PHES, Papier und-Bleistift Testbatterie), ist aufwendig und in die tägliche Routine nur schwer implementierbar. In den letzten Jahren wurden jedoch zunehmend einfachere und schnellere Testverfahren etabliert, wie z. B. der Animal Naming Test. Dieses Testverfahren kann im Alltag leichter angewendet werden. Ein Problem aller Testverfahren ist jedoch, dass sie unspezifisch sind. Dies ist die weitere große Herausforderung bei der Diagnostik der MHE: unsere Patient*innen werden älter und haben multiple Komorbiditäten, welche zu kognitiven Einschränkungen führen können, welche nicht leicht von der MHE zu trennen sind.

Die Prävalenz der MHE wurde in den letzten Jahren durch Studien immer zwischen 20 und 80 % angegeben. Dies war dadurch begründet, dass entsprechende Studien eher klein waren und unterschiedlichste Patientenkollektive untersuch haben. Wir haben zuletzt im Rahmen eines multizentrischen, internationalen Konsortiums die Prävalenz der MHE in verschiedenen Erkrankungsstadien untersucht. Hier zeigte sich, dass bei Patient*innen mit Child-Pugh A Zirrhose etwa jede/r vierte bis fünfte an einer MHE leidet. Bei Patien*innen mit Child-Pugh C Zirrhose steigt die Prävalenz auf über 50 %.

Die MHE beeinflusst Patient*innen auf verschiedensten Ebenen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass Einschränkungen des Alltags nicht bei allen Patient*innen gleich ausgeprägt sind. Studien haben gezeigt, dass die MHE mit einer schlechteren Lebensqualität und wahrscheinlich auch schlechterem Schlaf assoziiert ist. Zusätzlich neigen Patient*innen mit MHE zu Fahrauffälligkeiten und Stürzen. Additiv kann das Vorliegen einer MHE als Indikator für ein höheres Risiko für die Entwicklung einer overten HE angesehen werden.

Die Hinweise können subtil sein und hier hilft es, wenn beispielsweise nahestehende Personen der Patient*innen zusätzlich Auskunft über den Alltag geben. Zeichen, bei denen unbedingt eine Testung veranlasst werden sollte sind z. B. Stürze, Wesensveränderungen, Schlafveränderungen und kognitive Einschränkungen, wie z. B. Konzentrationsschwächen. Ein adäquates erstes Testverfahren für die Praxis, um der Diagnose einer MHE näher zu kommen ist die Anwendung des Animal Naming Tests. Zusätzlich gibt es auch App basierte Testverfahren, wie die Stroop EncephalApp. Formal wäre für die Diagnosestellung die Anwendung des PHES erforderlich. Zudem ist es bei der Diagnosestellung wichtig, etwaige Differenzialdiagnosen für kognitive Einschränkungen auszuschließen.

Wenn die Testung auf eine MHE erfolgt ist, dann hatte dies meistens auch einen Grund. Daher sollte bei nachgewiesener MHE auch eine Therapie erfolgen. Durch die Leitlinien der DGVS wird als Therapie der ersten Wahl der Einsatz von Lactulose empfohlen. Auf Grund der Nebenwirkungen ist die Compliance bei der Therapie mit Lactulose oft nicht ideal. Therapiealternativen, welche in Studien untersucht wurden, sind L-Ornithin-L-Aspartat, Probiotika und Rifaximin (off-label Behandlung). Zusätzlich sollte bei Patient*innen mit wenig Muskulatur (Sarkopenie) ein Muskelaufbau durch Training und adäquate Ernährung angestrebt werden. Unter Therapie sollte z. B. nach 6-8 Wochen der Behandlungserfolg untersucht werden und bei nicht suffizientem Ansprechen eine Alternativtherapie in Erwägung gezogen werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Labenz.